Das Wetter spielt mit, der Wecker weckt auch nicht übertrieben früh – heute ist der Tiger-Abhol-Tag.
Vor vier Tagen war die Besichtigung und die Unterzeichnung vom Kaufvertrag. Das noch am Wochenende angewiesene Geld ist auch schon gutgeschrieben worden, also hat soweit alles geklappt. Der aktuelle Eigentümer lässt mich mit »seinem Kennzeichen« die Überführung machen.
Ähnlich wie bei der Besichtigung sollte es nicht ganz pünktlich klappen. Ein wenig Stau hier, einmal falsch abbiegen dort (die Angaben vom Navigationsgerät waren nicht eindeutig genug). Schon ist der Puffer aufgefressen und es werden – wie beim Besichtigungstermin – 20 Minuten später.
Die Fahrzeugübergabe verläuft unspektakulär. Papiere und Zubehör werden übergeben, die beiden Alukoffer montiert und das weitere Vorgehen wird besprochen. Diese Woche noch soll die Maschine umgemeldet werden, ich habe dafür also morgen und übermorgen Zeit.
Noch fehlt jedoch die eVB meiner Versicherung, welche am Sonntag die Anfrage samt Foto vom Teil I erhalten hat. Da muss ich heute Abend noch einmal nachhaken.
Vor lauter Freude über das neue Gefährt vergesse ich beinahe meinen Rucksack anzuziehen. Wäre blöd gewesen – wenn die Papiere da drin sind und ich die nicht mitnehme wird es nichts mit dem Ummelden.
Der Berufsverkehr sollte schon längst weg sein. Aber vielleicht sind das noch einige Urlauber, welche wegen Corona Tagesausflüge machen? Neben den LKW ist viel unterwegs. Selbst die dreispurige A8 auf Höhe vom Flughafen Stuttgart ist ziemlich ausgelastet.
Ich kann mich langsam daran gewöhnen und doch fehlt mir ein langer sechster Gang. Etwa 120–130 km/h bei rund 5'000 U/min sind ungewohnt wenn man zuvor seine BMW R 1150 GS mit dem langen sechsten Gang gewohnt war.
Auf dem Autobahnparkplatz merke ich, dass beide Hände ein wenig taub sind. An den Handschuhen liegt es sicherlich nicht, die habe ich schon etliche 1'000 km ohne auch nur den Anflug von einem Taubheitsgefühl auf der BMW genutzt. Also ist es entweder die Sitzposition beziehungsweise der Winkel der Handgelenke, ich »klammere« aufgrund der Aufregung und Freude über das neue Gefährt zu sehr an den Griffen oder aber es sind Vibrationen im Lenker.
In den Foren hatte ich schon gelesen, dass bei einigen die Hände wegen Mikrovibrationen eingeschlafen sind. Andere Lenker und/oder Lenkerendengewichte sollen für Abhilfe gesorgt haben. Ich muss das wohl noch ein wenig im Auge behalten.
Ungewohnt ist auch der Tacho. Ich hatte zwar schon gelesen das man bei der Tiger 800 nicht den Gesamtkilometerstand während der Fahrt angezeigt bekommt, aber wie sehr er mir dann irgendwie fehlt wurde mir erst jetzt beim Fahren bewusst.
Navi habe ich zwar noch keins montiert, aber üblicherweise nutze ich die Anzeige wie »4 km zum nächsten Ereignis« und rechne mir das dann auf den vorhandenen Kilometerstand dazu. Bei der Triumph wurde mir die Restreichweite der Tankfüllung angezeigt. Die vermehrt sich auf wundersame Weise bei der Autobahnfahrt um dann im zähfließenden Verkehr erst um 50 und dann um 80 km spontan abzufallen.
Bei vielen Tiger 800 ist Reisezubehör mit dabei. Beliebt aber nicht meine erste Wahl sind Kunststoffkoffer von Givi. Der Vorbesitzer meiner künftigen Tiger 800 hat auf Aluminium gesetzt und ein Koffersystem von Holan[1] verbaut. Auf der rechten Seite wurde der Auspuff der Tiger 800 ausgespart. Dadurch geht zwar ein wenig Volumen im Koffer verloren, die Symmetrie bleibt dafür erhalten.
Die schmalen Koffer erinnern mich ein wenig an die Munitionskisten, welche ich an meiner Yamaha XJ 600 S hatte[2]. Da hat auch einiges rein gepasst – und der Rest kam eben in die Gepäckrolle.
Das Fahrwerk der Straßen-Tiger sei laut Tests »okay, kann aber verbessert werden«. Häufig werden Gabelfedern und das Zentralfederbein vom Heck gegen Produkte von Wilbers getauscht.
Die schwarze Tiger hat außer der Farbe noch etwas mit der schwarzen GSF 1200 gemeinsam, welche ich bis 2017 besessen hatte: Beide Maschinen liefen zuerst in Franken. Im Falle der Tiger 800 hatte der erste Besitzer sogar den gleichen Nachnamen.
Der Aufkleber an der Spitze vom vorderen Fender ist noch immer vorhanden. »Braun und Eschenbacher« ist zu lesen, laut Website[3] »seit 30 Jahren ein verlässlicher und kompetenter Partner für Triumph und Ducati Motorräder im Großraum Nürnberg – Fürth – Erlangen«. Sie kommt also aus gutem Hause.
Irgendwann geht jede Überführungsfahrt mal vorbei. Mit Kilometerstand 32'877 ist erst einmal Schluss. Zum Fotograpixeln der Gesamtlaufleistung muss man flink sein. Sie wird nur kurz für wenige Sekunden nach dem Einschalten der Zündung angezeigt.
Das Cockpit ist für mich gewöhnungsbedürftig. Nicht wegen dem Design ansich, sondern weil ich kein analoges Anzeigeelement mehr für die Geschwindigkeit habe. Ein großer, analoger Drehzahlmesser mag Sportlichkeit vermitteln. Mir wäre ein analoger Tachometer lieber. Kurzer Blick auf den Zeiger und gut. So muss ich nun dann immer die Zahlen lesen. Oder ich lerne (wieder einmal) auswendig bei welcher Drehzahl in welchem Gang die Maschine wie schnell fährt.
Ganz ohne kleine Mängel und altersbedingtem Verschleiß geht es nie. Allerdings habe ich das so auch noch nicht gesehen: Das Tankpad der Tiger 800 ist auf Wanderschaft – und trotzdem fest. Im Laufe der Jahre ist es nach unten gewandert. Wenn es im Sommer heiß wurde, hat der Kleber nicht mehr so gehalten wie er sollte. Das Tankpad ist aber noch immer fest. Die Kleberreste übrigens auch.
Das wird dann wohl mal bei so richtig heißem Wetter eine kleine Fleißaufgabe: Altes Tankpad runter, anschließend möglichst sanft die Kleberreste entfernen. Eilt aber nicht. Noch hält es ja.
Bei aller Freude über den Großkatzenkauf gibt es jemand, der darüber nicht sonderlich begeistert erscheint. Der Hauskater ist »not amused«. Ich hoffe er verwechselt die Sitzbank nicht mit einem Kratzbaum. Bei der BMW hatte er schon einmal entsprechende Anzeigen für eine solche Verwechslung gezeigt – den grobstolligen Mitas war das aber egal.
Es ist August, es ist Sommer. Daher ist auch der Helm nach der Autobahnfahrt wieder voll mit zerschmetterten Insekten gewesen. Nicht wundern, ich war heute ohne neongelbe Kopfbedeckung unterwegs. In den Helmrucksack packe ich lieber meinen alten Helm, den guten, alten IS16 von HJC. Bei strahlendem Sonnenschein nicht gerade die beste Wahl. In der Mittagshitze hat er sich ordentlich aufgeheizt. Von meinem neongelben Helm bin ich da andere »Eigentemperaturen« gewöhnt.
Wem der Sonnenschein gefällt? Den Studentenblumen aka Tagetes im Blumenkasten. Die fahren allerdings auch nicht mit 120 km/h über die Autobahn und haben auch keinen schwarzen Helm auf.
Zurück zum neuen Gefährt. Die Zulassungsbescheinigung Teil I präsentiert sich noch jungfräulich. In Feld 17 ist noch immer ein »K« für »konform«. Für die gewilberte Gabel, das Federbein und den abweichenden 110er Pneu an der Front müssen noch ABE und Gutachten beziehungsweise Freigabe mitgeführt werden.
Die notwendigen Unterlagen habe ich alle vom Verkäufer erhalten. Der Plan ist, alles was möglich ist in die Papiere eintragen zu lassen. Dann brauche ich keine separate Mappe mit Unterlagen mitführen sondern habe alles im Teil I automatisch mit dabei.
Auf dem Plan steht also noch ein Besuch bei der Dekra damit bei der Ummeldung gleich alles mit eingetragen werden kann. Wird nicht ganz billig, ich rechne mit etwa 90 Euro. Sind schließlich drei Dinge, welche eingetragen werden müssen: Gabelfedern vorne, Federbein hinten und die Freigabe für 110er Reifen vorne.
Beim Blick auf die Rückseite vom Teil I stellt sich mir die Frage »Was passiert eigentlich wenn kein Platz mehr für Stempel ist?«. Alle zwei Jahre gibt es einen neuen Stempel für den nächsten HU Termin. Für fünf Stempel ist Platz. Bis ich herausfinden kann was beim sechsten Stempel passieren würde, haben wir 2030.
Wieso 2030? Darum: September 2021, November 2023, Januar 2026, März 2028, Mai 2030. Ich überziehe immer um 2 Monate, daher sind »10 zusätzliche Monate« über 10 Jahre gerechnet möglich.
Der bisherige Eigentümer hat die Tiger 800 etwas über sieben Jahre lang gehegt, gepflegt und natürlich auch gefahren. Ich hoffe die richtige Kaufentscheidung getroffen zu haben und das die Großkatze mir auch lange erhalten bleibt. Mit knapp unter 33'000 km sollte bei meiner üblichen Jahreslaufleistung bis zu den 100'000 km auf dem Tacho einige schöne Jahre möglich sein.
So, jetzt noch einmal die Versicherung anschreiben und nach der eVB fragen. Oder besser noch: Ich rufe gleich mal an...
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Datum: | 05.08.2020 |
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Kommentare
Alexander Hauser | https://www.kettenritzel.cc
schrieb am 03.09.20 um 08:45 Uhr:
Glückwunsch zum neuen Mopped!
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 03.09.20 um 22:22 Uhr:
Merci!
Jetzt noch ein paar schöne Tage, idealerweise dann wenn ich auch gerade frei habe, dann wird es noch ein schöner Saisonausklang.
Thom
schrieb am 16.09.20 um 06:30 Uhr:
Herzlichen Glückwunsch zum neuen Motorrad. Was mit dem 6. Stempel passiert, werde ich dieses Jahr noch erfahren. Da bekomme ich ihn. Ist aber interessant, habe mir da vorher nie Gedanken drüber gemacht. Der Schein ist ja meistens auch für zwei Jahre im Portemonnaie versteckt.
Ich fand den Artikel auch deshalb interssant, weil ich jetzt auch zusätzlich einen Tiger im Stall habe. Hole ihn heute ab. *freu*
Thom
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 16.09.20 um 20:25 Uhr:
Dankeschön!
Du kannst mir gerne berichten was sie mit dem »Stempel ohne Platz« gemacht haben. In welchem Monat stellt sich die Frage für den Prüfer?
Auch einen 800er Tiger oder »großen Tiger« geholt?
Thom
schrieb am 17.09.20 um 06:51 Uhr:
Ich werde berichten. Fällig im September, werde ich aber etwas schieben. Habe ja jetzt ein neues Spielzeug, welches bespielt werden will. Ist die neue 900er.
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 19.09.20 um 08:17 Uhr:
Fällig im September → mache ich dann im November.
Ich dache dann mal Glückwunsch zur neuen 900er. Das Wetter spielt ja gerade auch noch mal schön mit, morgens zwar etwas frisch aber wohl das ganze Wochenende Sonnenschein. Zumindest bei mir im Süden.
Silencer | silencer137.com
schrieb am 03.10.20 um 18:54 Uhr:
Oh, eine Tiger! Herzlichen Glückwunsch und allzeit einen Handbreit Asphalt unter den Rädern! Du scheinst ja ein schönes Schätzchen erwischt zu haben. Darf ich fragen, was Du dafür bezahlt hast? Und wie kam es, dass Du Dich für die entschieden hast und nicht für eine, bspw, 800er GS?
Die Tiger 800 ist nämlich tatsächlich eine von drei Maschinen, die potentiell irgendwann mal die Nachfolge meiner DL 650 antreten könnten, da interessiert mich natürlich jedes Detail.
X_FISH | https://www.600ccm.info
schrieb am 03.10.20 um 22:20 Uhr:
Aus dem Hause BMW: Die 800 GS ist auf dem Gebrauchtmarkt teurer, hat mehr Kilometer runter oder ist öfters mal umgefallen. Oder alle drei Dinge zusammen. Außerdem ist mir beim teilweisen Zerlegen der blau-schwarzen F 800 R aufgefallen, was mir bei dem was BMW so baut nicht gefallen hat. Wenn ich die Triumph so anschaue: Ja, da geht bei einem Umfaller auch einiges kaputt – aber die Reparatur sollte günstiger ausfallen da nicht ganz so viel exponiert ist. Aber das ist nur meine unprofessionelle, subjektive Meinung.
Die Kawasaki Versys 650 wäre auch noch auf dem Programm gestanden. Günstiger, aber was man dann so zu sehen bekommen hat... Na ja, war dann nicht so prickelnd vom Zustand her.
»Ganz was anderes« angeschaut: Guzzi V7 III Stone war beim Sitzen toll, aber für den Preis einer solchen in gebraucht bekommt man auch die Tiger 800 der 1. Generation mit etwa 20'000 km mehr auf der Uhr, aber auch 70 kW und Koffern – und auch einem besseren Fahrwerk..
Scrambler 1200 – zu teuer. Außerdem sind meine Beine zu kurz. Werden wohl auch nicht mehr wachsen. Und: Es geht nur ein Koffer ran. Da fährt man dann ja immer im Kreis?
Bonneville T120 oder T100? Da muss ich meine Selvedge Jeans erst noch ein paar Jahre für tragen. Ist noch zu neu, hat noch keine Trage- beziehungsweise Gebrauchsspuren. Die Zeit brauche ich aber nicht nur damit die Jeans zum Stil der Maschine passt, sondern damit die T120 auch vom Preis her in mein Beuteschema passt. Immerhin könnte ich dann mal stilecht beim Gentlemen's Ride mitfahren. War ja erst letztes Wochenende. Habe also ein Jahr Zeit die Preise für die T120 zu beobachten und meine Jeans zu tragen.
Zurück zur 2011er Tiger 800. Ohne XC. Dafür mit neuen Pneu, neuem Kettenkit, einem Jahr TÜV, noch etwas weiterem Zubehör und natürlich den schicken Koffern: 5'900 Euro. Ich habe eigentlich nur geringfügig über dem Händler-EK liegen müssen. Der Verkäufer hatte schon einen Nachfolger bestellt und die Tiger wäre sonst zum Händler in Zahlung gegangen. Er hat mir den Händler EK verraten nachdem ich meinen Preis genannt hatte. Es wurde nicht mehr nachverhandelt, beide Parteien waren zufrieden.
Was aber bei der Tiger letztlich den Kauf sehr beeinflusst hat: der Motor. Bei der Probefahrt war es eigentlich schon um mich geschehen... Zum Glück hatten wir über den Preis vorher schon gesprochen. Man kann sie relativ schaltfaul fahren, sie zieht auch noch im zweiten und dritten bei langsamer Fahrt schön durch. Kein »Punch« bei einer bestimmten Drehzahl sondern eher wie ein Elektromotor. Ein Traum – für mich jedenfalls. Nur einen langen sechsten Gang hätte ich gerne gehabt. Aber irgendwas ist ja immer.